RECHTSTIPPS

Kostenübernahme für Zahnarztwechsel

Kostenübernahme für Zahnarztwechsel

Aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt am Main zur Unzumutbarkeit der Weiterbehandlung durch einen Zahnarzt (SG Frankfurt, Beschluss vom 07. März 2019 – S 18 KR 2756/18 ER).

Hintergrund:

Krankenversicherte können Ihren Arzt bzw. Zahnarzt grundsätzlich frei wählen. Dazu heißt es in § 76 Absatz 1 Satz 1 SGB V:

„Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2, den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 frei wählen.“

Das Recht der freien Arztwahl unterliegt jedoch Einschränkungen, insbesondere beim Zahnersatz: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann der Arzt in der Zeit bis zum Abschluss einer bereits begonnenen Behandlung nicht frei gewählt werden. Das gilt grundsätzlich selbst im Zeitraum der Gewährleistung und in Fällen, in denen sich der Zahnersatz als unbrauchbar erweist.

Für Füllungen und die Versorgung mit Zahnersatz dauert die Gewährleistungszeit nach § 136a Absatz 4 Satz 1 SGB V in der Regel zwei Jahre.

Die Einschränkung der freien Arztwahl greift jedoch nicht, wenn dem Patienten die Behandlung beim bisherigen Arzt nicht zumutbar ist. Weil das Verhältnis von Arzt und Patient von besonderem Vertrauen geprägt ist, stellt die Rechtsprechung aber keine hohen Anforderungen an diese Unzumutbarkeit.

Aktuelle Entscheidung:

Das Sozialgericht hatte über einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu entscheiden, ob die Versicherung die Kosten für Nachbesserungen beim Zahnersatz durch einen anderen Zahnarzt zu tragen hat.

Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass bei dem fraglichen Zahnersatz aufgrund einer ungünstigen Ausgangslage sehr häufig Nachbesserungen erforderlich seien und völlige Beschwerdefreiheit erst nach drei Monaten erreicht werden könne. Die Zahl der Nachbesserungen sei jedoch nicht unüblich gewesen und führte deshalb nach Auffassung des Gerichts noch nicht zur Unzumutbarkeit.

Das Gericht begründete die Unzumutbarkeit jedoch unabhängig davon mit einem zerstörten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Es hat insoweit festgestellt, „dass von der Antragstellerin und der Zahnärztin wechselseitig Vorwürfe erhoben werden und divergierende Ansichten zu maßgeblichen Umständen der Behandlung bestehen.“ Nach Aktenlage habe die Zahnärztin geäußert, die Schmerzen der Patientin nicht nachvollziehen zu können und die Patientin keine genauen Angaben zu ihren Beschwerden gemacht habe. Die Patientin habe der Zahnärztin entgegengehalten, rat- und hilflos sowie nicht in der Lage zu sein, ordnungsgemäßen Zahnersatz herzustellen. Außerdem waren sich Zahnärztin und Patientin nicht darüber einig, ob die Nachbesserung des Zahnersatzes erfolgreich gewesen sei.

Das Sozialgericht hat vor diesem Hintergrund festgestellt,

„dass nicht lediglich gewisse Verstimmungen zwischen der Antragstellerin und der Zahnärztin vorliegen, die keine Unzumutbarkeit weiterer Nachbesserungen bei dieser Zahnärztin begründen würden. Vielmehr erscheint das Vertrauensverhältnis zerstört, so dass es der Antragstellerin nicht zumutbar ist, weiterhin auf die bisherige Behandlerin verwiesen zu werden.“

Die Versicherung der Patientin wurde deshalb im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, die Kosten für erforderliche Nachbesserungen durch einen anderen Zahnarzt zu tragen. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Fazit:

Ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört, kann die Weiterbehandlung beim bisherigen Arzt unzumutbar sein und die Nachbesserung durch einen anderen Arzt auf Kosten der Versicherung vorgenommen werden. Bloße Verstimmungen oder die Tatsache, dass überhaupt nachgebessert werden muss, reichen jedoch in der Regel nicht aus.

Falls Sie ein sehr konfliktreiches Verhältnis zu Ihrem behandelnden Arzt haben bzw. das Vertrauensverhältnis zerstört ist, Ihre Versicherung der Nachbesserung durch einen anderen Arzt aber nicht zustimmt, kann Sie ein spezialisierter Patientenanwalt bei der Durchsetzung Ihres Anspruchs unterstützen.

Matthias Schüll, Assessor

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