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Stärkung der Patientenrechte im Aufklärungsbereich durch das OLG Köln: Klinik muss bei Verlegung der Operation den Fortbestand der Einwilligung prüfen!

Stärkung der Patientenrechte im Aufklärungsbereich durch das OLG Köln: Klinik muss bei Verlegung der Operation den Fortbestand der Einwilligung prüfen!

(OLG Köln , Urteil vom 16.01.2019 – 5 U 29/17)

Grundsätzlich stellt jede Operation eine strafbare Körperverletzung im Sinne des § 223 Strafgesetzbuch (StGB) dar, da jeder Eingriff die Unversehrtheit des Körpers beeinträchtigt. Der Arzt bleibt nur straffrei, wenn er eine nach § 630d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wirksame Einwilligung des Patienten einholt. Dafür müssen die in § 630e BGB genannten Aufklärungspflichten erfüllt werden. In § 630e BGB ist unter anderem geregelt, dass eine wirksame Einwilligung eine rechtzeitige Aufklärung des Patienten voraussetzt.

Hintergrund sind die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Patienten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie auf Selbstbestimmung als Ausfluss des Rechts auf Menschenwürde (Art. 1 GG). Die Entscheidungsfreiheit des Patienten über Eingriffe an seinem Körper steht damit an höchster Stelle. Der Arzt darf folglich ausschließlich innerhalb der Grenzen der Einwilligung des Patienten behandeln. Dies entspricht bereits seit 1894 der Rechtsprechungstradition des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs.

Nach einem aktuellen Urteil des OLG Köln ist ein Krankenhaus sogar dazu verpflichtet, sich nochmal zu vergewissern, ob die in einer schwierigen Situation erklärte Einwilligung eines Patienten in eine Operation nach wie vor dem freien Willen entspricht, wenn die Operation verlegt wurde. Dies insbesondere, wenn die betroffene Patientin operativen Behandlungen skeptisch gegenüber steht und sich vor der Operation noch eine Zweitmeinung einholen wollte.

Die Klinik, die die Operation kurzfristig um mehrere Stunden nach vorne verschob und der Patientin hierdurch diese Möglichkeit nahm, hätte sich in dieser Situation vom Fortbestand der Einwilligung vergewissern müssen, entschied das Gericht und sprach der Patientin wegen der, mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrigen Operation, ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu, obwohl es nicht zu Behandlungsfehlern gekommen ist.

Der Fall:

Die Patientin hatte sich den Oberschenkelhals gebrochen und war nachts in die Klinik eingeliefert worden. Beim nächtlichen Aufklärungsgespräch zeigte sie sich gegenüber der von den Ärzten empfohlenen Operation ausgesprochen skeptisch. Letztendlich unterschrieb sie aber eine Einwilligungserklärung für die am nächsten Mittag vorgesehene Operation. Noch in der Nacht bat sie ihren Ehemann, am nächsten Vormittag die Meinung eines Orthopäden ihres Vertrauens einzuholen. Weil die Klinik die Operation spontan auf den Morgen vorverlegte, wurde das Einholen einer Zweitmeinung unmöglich. Die Patientin, die eine konservative Therapie des Bruches bevorzugt hätte, hatte die Klinik auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro verklagt.

Entscheidung des OLG Köln:

Anders als das Landgericht, welches die Klage abgewiesen hatte, sprach das OLG der Klägerin einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro wegen aus der Operation resultierender dauerhafter Schmerzen im rechten Oberschenkel zu. Sowohl das OLG als auch das LG verneinten dabei einen Behandlungsfehler.

Das OLG nahm jedoch einen Aufklärungsfehler an, wodurch die Einwilligung der Patientin in die Operation nicht wirksam war. Der beklagte Arzt habe durch die Aufforderung zur sofortigen Einwilligung in die beabsichtigte Operation die Entscheidungsfreiheit der Klägerin in unzulässiger Weise eingeengt und verkürzt. Gemäß § 630e Abs. 2 Nr.2 BGB muss die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. In der Rechtsprechung ist seit langem der Grundsatz anerkannt, dass eine Aufklärung im Hinblick auf einen operativen Eingriff mindestens einen Tag vorher erfolgen muss (BGH NJW 2003, 2012). Bei medizinisch dringend notwendigen Eingriffen ist eine solche starre Regel nicht anwendbar. Wenn der Eingriff jedoch nicht sofort erfolgen muss, sondern zumindest einige Stunden Zeit verbleiben, darf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht derart verkürzt werden, dass dem Patienten keinerlei Möglichkeit der Überlegung und eventuell der Informationsgewinnung beziehungsweise Einholung einer Zweitmeinung verbleibt. Daher muss dem Patienten den Umständen nach entsprechende Bedenkzeit gegeben werden, die bis kurz vor dem Eingriff reicht.

Bei knapper Bedenkzeit sind die Ärzte jedoch zusätzlich dazu verpflichtet, sich vom Fortbestand der Einwilligung zu überzeugen.

Die übliche Vorgehensweise des Krankenhauses, seine Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterzeichnung der Einwilligungserklärung zu bewegen, ist schon vom Grundsatz her nicht unbedenklich. Der Patient trifft seine Entscheidung unter dem Eindruck einer großen Fülle von regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und – wie hier nach dem Unfall – in einer persönlichen Ausnahmesituation. Die Erklärung stehe dann unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutze, um die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und um das Für und Wider des Eingriffs für sich abzuwägen und sich gegebenenfalls anders zu entscheiden.

In einem solchen Fall ist es nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen. Es ist vielmehr Aufgabe der Ärzte, sich davon zu überzeugen, dass die abgegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspricht. Dies gilt allerdings nur für den Fall, bei dem der Patient keine ausreichende Bedenkzeit für seine Einwilligung gehabt hat. So hat auch die Klägerin keine wohlüberlegte Entscheidung treffen können. Die operierenden Ärzte, denen die kurze Überlegungszeit bekannt gewesen ist, hätten sich daher ausdrücklich bei der Klägerin vergewissern müssen, ob es bei der Entscheidung der Nacht bleibe.

Empfehlung für Patienten:

Zunächst einmal ist wichtig, dass Sie sich nicht zu einer Unterschrift drängen lassen. Denn einer unterzeichneten Einwilligungserklärung kommt bei Gericht einen hohe Bedeutung zu. Es wird dann vermutet, dass Sie mit dem Eingriff einverstanden gewesen sind.

Sollte der Arzt in Ihrem Aufklärungsgespräch Tatsachenbehauptungen aufstellen, so sollten Sie darauf achten, dass diese vor Unterzeichnung im Aufklärungs- beziehungsweise Einwilligungsformular vermerkt werden. Einige Beispiele dafür sind:

  • Ihr Arzt teilt Ihnen mit, dass eine konservative Behandlung ohnehin nichts bringen würde und die beabsichtigte Operation alternativlos sei,
  • Ihr Arzt warnt Sie, dass sich Ihre Beschwerden verschlimmern werden, wenn Sie sich nicht schnellstmöglich operieren lassen,
  • Ihr Arzt beruhigt Sie, indem er die beabsichtigte Operation als Routineeingriff bezeichnet und die Risiken verharmlost.

Zudem raten wir Ihnen, nach Möglichkeit immer eine weitere Person zu dem Aufklärungsgespräch mitzunehmen, damit Sie im Streitfall einen Zeugen haben und nicht schutzlos vor Gericht stehen.

Ziegler, LL.M. (Medizinrecht)

angestellte Dipl. Wirtschaftsjuristin (FH)

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