Das neue Patientenrechte GesetzHILFE BEI BEHANDLUNGSFEHLERNRECHTSTIPPS

Neue Patientenrechte – Anspruch auf ärztliche Zweitmeinung

Neue Patientenrechte – Anspruch auf ärztliche Zweitmeinung

Das Problem:

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass viele Ärzte die Indikation für Operationen stellen, ohne dass diese tatsächlich medizinisch notwendig sind. Hintergrund ist häufig ein wirtschaftliches Interesse des Arztes, da die Kosten für Operationen gesetzlich versicherter Patienten mit der Krankenkasse lukrativ abgerechnet werden können.

Da sich der Patient regelmäßig auf die Empfehlung des Arztes seines Vertrauens verlässt und die medizinische Notwendigkeit einer Operation mangels Fachwissen meist selbst nicht beurteilen kann, kommt es zu einer Vielzahl nicht medizinisch gerechtfertigter Eingriffe.

Das neue Patientenrecht auf eine ärztliche Zweitmeinung:

Um die Belastung der gesetzlichen Krankenversicherungen mit unnötigen Operationskosten zu verhindern, wurde daher bereits im Jahr 2015 mit dem § 27b SGB V eine neue Vorschrift in das fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen (vgl. GKV –Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015, BGBl. I, S. 1211).

Die Vorschrift besagt, dass Patienten die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf haben, eine zweite Meinung einzuholen. Für welche Operationen dies gilt und über welche Qualifikationen zweitmeinungsgebende Ärztinnen und Ärzte verfügen müssen und welche genaue Aufgabe sie erfüllen müssen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Funktion als das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands am 21.09.2017 in einer Richtlinie konkretisiert.

Die Anspruchsvoraussetzungen:

  1. Bei einem gesetzlich versicherten Patienten wurde die Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt. Es darf sich also nicht um eine Akutbehandlung handeln (vgl. § 27b Abs. 1 SGB V).

  1. Bei diesem Eingriff besteht insbesondere im Hinblick auf dessen zahlenmäßige Entwicklung seiner Durchführung die Gefahr einer unnötigen Indikationsausweitung (vgl. § 27b Abs. 1 SGB V). Ausweislich der o.g. GB-A Richtlinie gilt dies zunächst für folgende Eingriffe:

    • Eingriffe an den Gaumen- und/oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie)

    • Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien)

Die Pflichten des indikationsstellenden Arztes:

Der indikationsstellende Arzt ist verpflichtet, den Patienten über sein Recht, eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen, aufzuklären (vgl. § 27b Abs. 5 S. 1 SGB V). Dies muss er – entsprechend den Anforderungen an die Eingriffsaufklärung nach § 630e BGB – mündlich und rechtzeitig tun, um dem Patienten eine wohlüberlegte Entscheidung zu ermöglichen. Die geforderte Rechtzeitigkeit liegt nur vor, wenn die Aufklärung mindestens 10 Tage vor dem geplanten Eingriff erfolgt (vgl. § 27b Abs. 5 S. 3 SGB V). Zudem hat der Arzt den Patienten darauf hinzuweisen, dass er ein Recht auf Abschriften seiner Krankenunterlagen hat und die Krankenkasse die in diesem Zusammenhang anfallenden (Kopier-) Kosten übernimmt (vgl. § 27b Abs. 5 S. 5, 6 SGB V).

Folgen einer Pflichtverletzung:

Da seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 25, 375) und der sich anschließenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jeder ärztliche Eingriff, also auch jeder Heileingriff, im Grundsatz eine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches (§ 223 StGB) darstellt, ist dieser grundsätzlich nur dann straffrei, wenn der Patient nach ordnungsgemäßer Aufklärung wirksam in den Eingriff eingewilligt hat (§§ 630d, 630e BGB).

Eine unzureichende Aufklärung hat zur Folge, dass die Einwilligung des Patienten in den Eingriff (die Körperverletzung) unwirksam ist und somit eine rechtswidrige Behandlung darstellt.

Da die neue Vorschrift ausweislich der Gesetzesbegründung neben der Vermeidung unnötiger Operationskosten zu Lasten des Gesundheitssystems auch insbesondere dem Patientenschutz dienen soll, gilt dies zusätzlich zu den inhaltlichen und sonstigen Anforderungen an die Eingriffsaufklärung gleichermaßen für die Aufklärungspflicht bezüglich des Rechtes auf Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung. Denn je nach Ergebnis der unabhängigen Zweitmeinung würde sich eine Vielzahl von Patienten letztlich gegen den medizinisch möglicherweise gar nicht notwendigen Eingriff entscheiden.

Fazit

Sollte bei Ihnen die Notwenigkeit einer Mandel- oder Gebärmutterentfernung festgestellt worden sein, haben Sie einen Anspruch, auf Kosten der Krankenkasse eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen um überprüfen zu lassen, ob die Operation tatsächlich medizinisch notwendig ist.

Sollte bei Ihnen einer der genannten Eingriffe nach dem 21.09.2017 bereits durchgeführt worden sein, ohne dass Sie durch Ihren indikationsstellenden Arzt rechtzeitig auf Ihr Recht zur Einholung einer Zweitmeinung hingewiesen wurden, liegt ein haftungsbegründender Aufklärungsfehler vor.

Sofern es bei Ihrem Eingriff (auch zu schicksalhaften) Komplikationen gekommen ist oder Sie in die Operation nur eingewilligt hätten, wenn diese aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich gewesen wäre und Ihnen hierdurch ein Schaden entstanden ist, handelt es sich um einen rechtswidrigen Eingriff und Sie können Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber Ihrem Arzt geltend machen.

Bei der Durchsetzung dieses Anspruchs kann Ihnen ein spezialisierter Patientenanwalt zur Seite stehen und wird Sie hierbei gern unterstützen.

Anne Ziegler, Dipl. Wirtschaftsjuristin (FH)

Tätigkeitsschwerpunkt Medizin- & Arzthaftungsrecht

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